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Dan Brunermer verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung mit Binder Jetting und konzentriert sich darauf, die Einsatzmöglichkeiten der Technologie aufzuzeigen – angefangen bei der Projektentwicklung für Kunden bis hin zur Schulung von Ingenieuren im Umgang mit der Technologie. Als Technical Fellow bei ExOne war es für ihn ein logischer Schritt, die Technologie durch die Einführung von einheitlichen Industriestandards federführend weiterzuentwickeln. Dan Brunermer ist Teil der Originalbesetzung des ASTM-Komitees F42 für additive Fertigungstechnologien und Mitentwickler der Spezifikation SAE AMS7022. Aktuell ist er als Co-Leiter des ASTM-ISO-Komitees tätig, das an einer Spezifikation für die Binder-Jetting-Technologie in der additiven Fertigung arbeitet. Er ist außerdem Mitglied der Klassifikationsgesellschaft DNV GL, der ASTM-ISO, des Verbands SAE sowie der Maritime and Port Authority of Singapore.

Im Zuge der Weiterentwicklung additiver Fertigungstechnologien hat sich der Fokus schnell von Realisierbarkeit auf Industrialisierung bis hin zur Serienproduktion verlagert. Parallel zu den Entwicklungen im Hinblick auf Druckgeschwindigkeit und Kammergröße gewinnt auch die Standardisierung von Druckverfahren zunehmend an Bedeutung. Wir haben mit Dan darüber gesprochen, wie er dazu beiträgt, den Aspekt der Kunstfertigkeit in der additiven Fertigung zu reduzieren und die Entwicklung neuer Industriestandards voranzutreiben.


Wir versuchen alles so zu gestalten, dass sich alle Beteiligten wiederfinden können. Unser Ziel besteht letztendlich darin, die Binder-Jetting-Technologie voranzutreiben. Wettbewerb sollte auf dem Markt und nicht im Bereich von Normungsprozessen stattfinden.

Dan Brunermer, Technical Fellow bei ExOne, über die Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Normen und Standards


Die Standardisierung war ein wichtiger Teil der zweiten industriellen Revolution und spielt heute eine wichtige Rolle im Hinblick auf das Vertrauen in und die Akzeptanz der additiven Fertigung auf dem Markt. Durch die Einführung von Definitionen, Prozessen und Spezifikationen wird ein Verfahren wiederholbar gemacht. „Es ist eine Kunst zu wissen, wie man etwas richtig macht“, so Brunermer. „Wenn man Standards anwendet, rückt diese Kunstfertigkeit in den Hintergrund und der Prozess wird wiederholbar gemacht. Wenn die definierten Einzelschritte und die standardisierte Vorgehensweise befolgt werden, kann man demnach sichergehen, dass man immer die erwarteten Ergebnisse erzielt.“

Die Zugänglichkeit der Technologie begründet sich laut Brunermer genau darauf, dass trotz neuer Prozesse die erwarteten Ergebnisse erzielt werden können. „Standards ermöglichen es allen, die Technologie zu nutzen.“ Er merkt an, dass große OEMs in die Erforschung neuer Technologien investieren, entwicklungsbezogene Lastenheften erarbeiten und disruptive Prozesse genau unter die Lupe nehmen können. Das ist jedoch ein Luxus, den sich Akteure in der zugehörigen Lieferkette oft nicht leisten können. Dabei ist die Integration der Binder-Jetting-Technologie in die Lieferkette ein weiterer wichtiger Schritt hin zur echten Serienproduktion. „Wenn ein OEM eine neue Technologie qualifiziert, will er gegebenenfalls seine Tier-1-Lieferanten dazu bringen, diese Technologie in ihre Produktion aufzunehmen. Allerdings kann es sein, dass Hersteller unter Umständen abgeneigt reagieren, wenn es für den Vergleich der Ergebnisse keine Standards gibt. Sie möchten sichergehen, dass sie dieselben Ergebnisse erzielen wie der OEM“, erklärte Brunermer. Demnach sind internationale, konsensbasierte Standards essenziell für ein globales Vertrauen und ebnen einen direkten Weg für die Produktion ohne individuelle Qualifikationsprozesse.

Bei der Erarbeitung von Industriestandards kommt es laut Brunermer darauf an, dass alle einen Platz am Tisch bekommen. Dabei wird jedoch schnell deutlich, dass es sich dabei vielmehr um einen großen Speisesaal handelt als um einen kleinen Esstisch. Hier sind alle wichtigen Akteure anwesend – von Werkstoff- und Ausrüstungslieferanten über Endnutzer bis hin zu Vertretern des NIST, das unter anderem für die Definition von Sekunden oder Millimetern zuständig sind. Auch Wettbewerber sind ein wichtiger Teil des Prozesses, so Brunermer. Als Beispiel führt er unterschiedliche Verfahren konkurrierender Systeme an: „In den Spezifikationen versuchen wir alle mit einzubeziehen. Nehmen wir beispielsweise zwei unterschiedliche, aber grundsätzlich gleichwertige Methoden für den Pulverauftrag. Die Vorgehensweise mag zwar unterschiedlich sein, doch das Ziel – ein stabiles, ebenmäßiges Pulverbett – ist bei beiden Methoden identisch. So kann es also unterschiedliche Ansätze, Namen und Einstellungen geben. Wir versuchen alles so zu gestalten, dass sich alle Beteiligten wiederfinden können. Unser Ziel besteht letztendlich darin, die Binder-Jetting-Technologie voranzutreiben.“ Dafür ist es laut Brunermer enorm wichtig, dass auch Wettbewerber an der Entwicklung von Standards beteiligt sind: „Wettbewerb sollte auf dem Markt und nicht im Bereich von Normungsprozessen stattfinden.”

Standards Development Organizations (SDO) schaffen die Rahmenbedingungen für alle Beteiligten zur Entwicklung neuer Spezifikationen. Brunermer erklärt, dass das ASTM-ISO-Komitee, das er zusammen mit Amy Elliot von Oak Ridge National Laboratory leitet, einen konsensbasierten Entwicklungsansatz verfolgt. Fachexperten erstellen in Arbeitsgruppen gemeinsam Entwürfe für Unterthemen, die dann mit dem gesamten Komitee besprochen werden. Mithilfe dieser Vorgehensweise soll die erste allgemeine Gestaltungsrichtlinie für Binder-Jetting-Anwendungen geschaffen werden.

„Ich finde es besonders interessant, wie sehr sich die Herangehensweisen der SDOs zur Entwicklung von Standards voneinander unterscheiden. Bei der SAE kommt eine leicht unterschiedliche Methode zum Einsatz und es werden andere Prioritäten gesetzt.“ Momentan konzentriert sich das Komitee auf Werkstoffspezifikationen, einschließlich Pulverkörnung, Form und chemische Reinheit der Werkstoffe. Später verschiebt sich der Schwerpunkt dann auf die Werkstoffeigenschaften der produzierten Teile. Ziel hierbei ist die Erstellung eines Dokuments, in dem festgelegt wird, dass die Verwendung eines standardisierten Pulvers gemäß der Spezifikation und unter Einhaltung eines standardisierten Verfahrens immer zu einem Produkt mit den definierten Werkstoffeigenschaften führt.

Das ASTM-ISO-Komitee für Binder Jetting plant, die Spezifikation bis Mitte 2022 zu veröffentlichen. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung hängt jedoch von der gesamten ASTM-Community und deren Zustimmung ab. „Wir entwickeln unser Dokument im Komitee, bis wir an einen Punkt gelangen, an dem es der internationalen ASTM-Community zur Prüfung und Abstimmung vorgelegt werden kann. Die Finalisierung hängt von der Anzahl an Kommentaren ab, die wir während des Abstimmungsprozesses einarbeiten müssen“, so Brunermer.

Mit der zunehmenden Verbreitung der Binder-Jetting-Technologie braucht es ein gemeinsames Verständnis hinsichtlich Terminologie, Werkstoffeigenschaften, Prozessschritten und Testverfahren, um die weitere Industrialisierung voranzutreiben. Einige Branchen und Unternehmen treten der Technologie mit Vorsicht entgegen. Aus diesem Grund wird mit der Standardisierung ein einheitlicher und zuverlässiger Prozess geschaffen, dem Hersteller bei der Einführung der Binder-Jetting-Technologie für die Massenproduktion vertrauen können.

 

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